KOSTIMA – Kontrahegemoniale Stimmen in Musikarchiven
Politische Lesarten, Kontextualisierungen und Gegenwartsbezüge
Über KOSTIMA
Das Projekt KOSTIMA – „Kontrahegemoniale Stimmen in Musikarchiven“ widmet sich der Erforschung und Digitalisierung von Musikarchiven, die politisch und kulturell bedeutsame Botschaften enthalten. Im Fokus stehen die Sammlungen des Archivs für die Musik Afrikas (AMA) in Mainz, des Europäischen Zentrums für Jüdische Musik (EZJM) in Hannover und des Center for World Music (CWM) in Hildesheim. Ziel des Projekts ist es, politische Botschaften in Musik aus verschiedenen historischen und geografischen Kontexten zu identifizieren und zu analysieren. Die Musikarchivalien dokumentieren die Erfahrungen von Exil, Diaspora und Verfolgung, insbesondere von kongolesischen, nordnigerianischen und deutsch-jüdischen Menschen. Denn sie enthalten Lieder, Texte und audiovisuelle Materialien, die den Widerstand gegen hegemoniale Strukturen reflektieren oder aber selbst bedrohte Kunst darstellen.
Ein weiterer Aspekt des Projekts ist die kritische Auseinandersetzung mit Archivpraktiken, insbesondere der Frage, wie Musikaufnahmen entstanden, wie sie aufbewahrt und neu analysiert werden. Im Rahmen des Projekts werden auch Gespräche mit Zeitzeugen geführt (Oral History-Interviews), um die historischen Kontexte und sozialen Verflechtungen besser zu verstehen. Ein wichtiger Fokus von KOSTIMA ist die Frage der Restitution und Bereitstellung digitalisierter Archivmaterialien für die „source communities“, also jene Gemeinschaften, aus denen die Musik ursprünglich stammt. Diese Themen werden unter anderem in einer gemeinsam mit dem Weltkulturen Museum Frankfurt geplanten Wanderausstellung sowie einem Online-Format (Scrollytelling) aufgearbeitet.
KOSTIMA setzt sich somit für den Schutz und die Erschließung musikalischer Traditionen ein, die nicht nur kulturell, sondern auch politisch bedeutsame Botschaften transportieren. Es reflektiert die Bedeutung von Musik als Widerstandsform und bringt marginalisierte Stimmen in den öffentlichen Diskurs zurück.
KOSTIMA wird ermöglicht durch die Förderlinie "Vernetzen – Erschließen – Forschen. Allianz für Hochschulsammlungen II" des BMFTR (Projektlaufzeit: 01.07.2023 bis 30.06.2027).
KOSTIMA Projekte
Politische Botschaften in kongolesischer Musik der Ära Mobutu – Kongolesische Archivbestände am Archiv für die Musik Afrikas (AMA)
Im Fokus des Mainzer Teilprojekts steht die Analyse der Songtexte kongolesischer Musik, die im Archiv für die Musik Afrikas (AMA) aufbewahrt wird. Ziel der Forschung ist es, die sprachlichen Strategien in lingalasprachigen Liedern zu untersuchen. Oftmals wurden beispielsweise Liebeslieder von Musiker:innen genutzt, um versteckte und verschlüsselte politische Botschaften sowie Proteste gegen das autoritäre Regime zu formulieren.
Beteilige Personen: Dr. Hauke Dorsch, Antonia Fendt, Emilia Kaufhold, Marko Knepper, Jan Knipping, Merle Meier, Prof. Dr. Nico Nassenstein, Michael Restorff, Dr. Lisa Marie Roemer
Musikalisch-dramaturgische Kompositionen aus dem Nachlass des deutsch-jüdischen Komponisten Peter Ury
Ziel des Hannoverschen Teilprojektes ist es, den Nachlass Peter Ury im Kontext der ambivalenten Begrifflichkeiten Exil, Postexil, Displacement und Exterritorialität in ein von Diversität und Komplexität geprägtes Gegenwartslicht zu rücken und aufzuarbeiten. Im Zentrum steht dabei die Analyse der Entstehungsprozesse der Werke von Peter Ury. Berücksichtigt werden Strategien des Aushandelns von sozialen Rollen, insbesondere vor dem Hintergrund kontrahegemonialer Machtstrukturen.
Beteilige Personen: Christoph Hölzel, Samuel Mund, Prof. Dr. Sarah Ross, Dr. Katharina Talkner, Mengjie Zhang
Bedrohte höfische Musik Nordnigerias
Das Hildesheimer Teilprojekt bearbeitet den Vorlass von Raimund Vogels mit Feldforschungen aus dem nigerianischen Bundesstaat Borno State. Raimund Vogels forschte zu Musiken an den Herrscherhöfen Maiduguris und untersuchte hegemoniale Narrative zu dynastischen Erbfolgen, Herrschaftswechseln und kolonialen Machtstrukturen. Das in den 1980er und 1990er Jahren gesammelte Material enthält wesentliche Aussagen zu Machtverhältnissen zwischen Christen und Muslimen in Borno State sowie allgemein zu innernigerianischen Machtgefällen und soll im Sinne der archival restudies erneut untersucht und auf Aussagen politischen Widerstands hin befragt werden.
Beteilige Personen: Prof. Dr. Michael Fuhr, Prof. Dr. Christopher Yusufu Mtaku, Dr. Naomi Andrew Haruna, Dr. Oluwagbemiga Ogboro-Cole
Visionen & Ziele
KOSTIMA strebt danach, politische und kontrahegemoniale Stimmen bzw. Botschaften, die in Musikarchiven verborgen sind, zu entdecken und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Durch die Erschließung und Digitalisierung dieser Musikschätze will das Projekt dazu beitragen, marginalisierte, unterdrückte und vergessene Perspektiven wieder in das kollektive Gedächtnis zu rücken. Damit werden nicht nur die historische Bedeutung dieser Sammlungen, sondern auch ihre Relevanz für heutige politische und soziale Diskurse aufgezeigt.